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CE-Konformität von Sportbooten

Kein TÜV und keine Betriebsvoraussetzung?

Keine Angst vor dem Kauf eines gebrauchten Bootes ohne CE sagt der Rechtsanwalt.

 

Es gibt sehr gute Gründe, auf die CE-Konformität eines Bootes zu achten, sagen die Ingenieure.

 

Dieser Artikel ist in interdisziplinärer Kooperation entstanden. Rechtsanwalt Benyamin Tanis ist als Spezialist für Rechtsfragen im Wassersport tätig. Die Kanzlei Tanis | von der Mosel – Rechtsanwälte ist Deutschlands größte Fachkanzlei für Wassersport. Die Schiffbau-Ingenieure und Konstrukteure Carsten Weber und Roland König führen mit ihrer Firma CEproof Norddeutschland europaweit Beratung zu CE-Konformitätsbewertungen von Yachten und Sportbooten durch. Der Schiffbau-Ingenieur Klaus Röder ist öffentlich bestellter und vereidigter Gutachter für Yachtbau, Konstrukteur von Sportbooten und mit CEproof Süddeutschland in der Beratung bezüglich Konformitätsbewertung von Wasserfahrzeugen tätig.

 

Das Ergebnis vorweg:

Aus juristischer Sicht konstatiert der Anwalt: Die CE-Konformität des Bootes stellt für den privaten Käufer eines gebrauchten Bootes in der EU keine notwendige Voraussetzung dar. Sie dürfen das Boot als Privatperson auch ohne CE-Konformität in der EU fahren und keiner kann ihnen den privaten Betrieb verbieten. Das gilt zumindest für die deutschen Seeschifffahrststraßen sowie die Nord- und Ostsee. Auf unseren Binnenschifffahrtsstraßen und vielen deutschen Seen gilt eine Zulassungspflicht für Sportboote. Die örtlich zuständigen Behörden fordern vereinzelt die CE-Konformität für die Erteilung einer Befahrenserlaubnis. Ob dies im Einzelfall rechtmäßig ist kann dahinstehen. Wenn die Binnenzulassung wegen fehlender CE nicht erteilt wird, stehen langwierige Auseinandersetzungen mit der Behörde dem Sportbootvergnügen im Wege.

Das sagen auch die Ingenieure. Außerdem sprechen weitere Gründe für eine CE-Zertifizierung: „Auch wenn gesetzlich nicht klar gefordert, so verlangt zumindest der Markt eine CE Zertifizierung der Sportboote. Wir bearbeiten regelmäßig Fälle in denen wir Kunden dahingehend beraten, dass sie nach Gesetzeslage keine CE benötigen oder zumindest dies nicht ganz eindeutig abzuleiten ist, die Kunden diese aber trotzdem aus diversen Gründen wünschen.

 

 

Der Mythos:

Neben den Geschichten über die korrekte Versteuerung von Booten, steht das Thema um die CE-Konformität von Sportbooten wohl auf Platz 2. der meisten Kontroversen beim Kauf eines gebrauchten Bootes.

Glaubt man der Vielzahl von Internetplattformen und Marktgerüchten, dann darf ein Sportboot ohne CE-Konformität gar nicht benutzt werden.

Rechtsanwalt Tanis nähert sich dem Thema mit der einfachen Frage: „Wo steht das denn?“

 

 

Die Sportbootrichtlinie (2013/53/EU)

Die Sportbootrichtlinie, auch bekannt als RCD II (recreational craft directive II), legt Anforderungen für den Entwurf und die Herstellung von Sportbooten, sowie für den Handel mit Sportbooten fest (Art. 1 RCD II).

Richtlinien, wie auch die Sportbootrichtlinie, sind Rahmengesetze der EU; sie stellen eine politische Forderung an die europäische Gemeinschaft dar und müssen von den nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten innerhalb einer gesetzten Frist in nationales Recht umgesetzt werden.

In Deutschland wurde die Sportbootrichtlinie durch die Verordnung über die Inbetriebnahme von Sportbooten und Wassermotorrädern sowie deren Vermietung und gewerbsmäßige Nutzung im Küstenbereich (See-Sportbootverordnung – SeeSpbootV) in nationales Recht umgesetzt.

 

 

Die See-Sportbootverordnung (SeeSpbootV)

Bei einem Blick in die See-Sportbootverordnung wird schnell deutlich, woher die Gerüchte kommen.

In § 3 der SeeSpBootV steht:

„Soweit Sportboote, die nach dem 15. Juni 1998 erstmals auf den Markt der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gelangen, zugleich nach Maßgabe produktsicherheitsrechtlicher Vorschriften über Sportboote und Wassermotorräder kennzeichnungspflichtig sind, dürfen sie nur in Betrieb genommen werden, wenn sie mit der nach produktsicherheitsrechtlichen Vorschriften über Sportboote oder Wassermotorräder vorgeschriebenen CE-Kennzeichnung versehen sind.“

Der Laie liest nur:

„(…) Sportboote, (…) dürfen sie nur in Betrieb genommen werden, wenn sie mit der (…) CE-Kennzeichnung versehen sind.“

 

Wirtschaftsakteure sollen für die Konformität verantwortlich sein – nicht Privatpersonen

So steht es bereits in der Begründung der Sportbootrichtlinie:

„(…) Wirtschaftsakteure sollten für die Konformität der Produkte verantwortlich sein, je nachdem, welche Rolle sie jeweils in der Lieferkette spielen, um ein hohes Niveau beim Schutz der öffentlichen Interessen, wie etwa Gesundheit und Sicherheit, sowie beim Verbraucherschutz und beim Umweltschutz zu gewährleisten und einen fairen Wettbewerb auf dem Unionsmarkt sicherzustellen. (…)“ [(9) Gründe zur RL 2013/53/EU]

Dieser Wertung hat auch der deutsche Gesetzgeber bei der Formulierung der See Sportbootverordnung Rechnung getragen. Zugegeben, die Formulierung hätte deutlicher sein können.

Selbst bei genauerem Lesen des Gesetzes könnte man nun meinen, dass alle nach 1998 in der EU gebauten oder importierten Sportboote eine CE-Kennzeichnung besitzen müssen, ohne welche diese nicht betrieben werden dürfen. Im Gesetz steht allerdings:

„Soweit Sportboote (…) zugleich nach Maßgabe produktsicherheitsrechtlicher Vorschriften über Sportboote und Wassermotorräder kennzeichnungspflichtig sind, dürfen sie nur in Betrieb genommen werden, wenn sie mit der (…) vorgeschriebenen CE-Kennzeichnung versehen sind.“

 

Was bedeutet „in Betrieb nehmen“?

Glücklicherweise findet sich genau zu dieser Frage eine Antwort im deutschen Gesetz und in der EU Maschinen-Richtlinie 2006/42/EG:

„Inbetriebnahme“ ist die erstmalige Verwendung eines von dieser Verordnung erfassten Produkts in der Union durch einen Endverbraucher. (§ 2 Abs. 1 Ziff. 8 10. ProdSV)

„Inbetriebnahme“ die erstmalige bestimmungsgemäße Verwendung einer von dieser Richtlinie erfassten Maschine in der Gemeinschaft-. (Artikel 2 k) Richtlinie 2006/42/EG)

In Betrieb genommen wird das Boot also nur einmal, nämlich wenn der erste Besitzer das Boot zum ersten Mal in der EU zu Wasser lässt. Diese Wertung spiegelt die Zielsetzung der Sportbootrichtlinie wieder, wonach Hersteller, Importeuer und Bootshändler für die CE-Konformität verantwortlich sein sollen.

 

 

Die 10. Produktsicherheitsverordnung über Sportboote

Was bedeutet nun „kennzeichnungspflichtig nach produktsicherheitsrechtlichen Vorschriften“ so wie es in § 3 der SeeSpBootV steht?

Auch hierzu hilft das Gesetz. Eine solche Kennzeichnungspflicht besteht, wenn die Zehnte Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (Verordnung über Sportboote und Wassermotorräder – 10. ProdSV) gilt.

Diese gilt aber nur für Produkte, die auf dem Markt bereitgestellt oder erstmals verwendet werden. (Artikel 1 Abs. 1 10. ProdSV)

Die Bereitstellung einer Ware ist in § 2 Nr. 4 ProdSG geregelt und über § 2 Abs. 2 10. ProdSV auf die 10. ProdSV anwendbar. Dort heißt es:

Bereitstellung auf dem Unionsmarkt ist jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Produkts zum Vertrieb, zum Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Unionsmarkt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit. (§ 2 Nr. 4 ProdSG)

Auch hier wird deutlich, dass mit Bereitstellung lediglich der Verkauf im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit gemeint ist und § 3 der SeeSpBootV nicht für den privaten Verkauf oder die Benutzung gebrauchter Boote in der EU gelten soll.

 

 

Abschließend beurteilt der Rechtsanwalt

Es lässt sich also sagen, dass der Hersteller eines Sportbootes oder aber derjenige, welcher ein Sportboot aus einem Drittland in die EU importiert (das können ja auch Privatpersonen sein) für die CE-Konformität eines Sportbootes verantwortlich sein soll. Sobald ein Endverbraucher ein gebrauchtes Boot in der EU kauft, spielt die Frage nach der CE-Konformität für den Betrieb keine Rolle mehr.

Anders ist die Frage zu beurteilen, ob eine fehlende CE-Konformität unter Umständen einen Mangel im Sinne der gesetzlichen Gewährleistungsrechte beim Bootskauf darstellen könnte.

 

 

Die Schiffbauingenieure Klaus Röder, Carsten Weber und Roland König bewerten die Situation ein wenig anders:

Die oben genannten Ausführungen zu der Verantwortlichkeit hinsichtlich der CE-Kennzeichnung sind gut recherchiert und lassen sich aus unserem Verständnis der Richtlinie und der Verordnung nachvollziehen. Die daraus gezogene Schlussfolgerung, wonach die CE-Konformität für den Kauf eines gebrauchten Bootes keine Rolle mehr spielt, erscheint uns allerdings nicht als die logische Konsequenz.

Es stellt sich die Frage, was mit denjenigen Booten, welche, aus welchem Grund auch immer, keine CE-Kennzeichnung aufweisen, passiert und wer die Verantwortung für die nicht erfolgte Zertifizierung trägt.

Laut der Sportbootrichtlinie 2013/53/EU ist derjenige verantwortlich, der das Wasserfahrzeug als erster auf dem EU Markt bereitgestellt und/oder in Betrieb genommen hat.

Wenn derjenige der Pflicht der CE-Kennzeichnung nicht nachgekommen ist und das Wasserfahrzeug mittlerweile den Besitzer (vielleicht sogar mehrfach) gewechselt hat und diese Person / Firma nicht mehr greifbar ist, dann muss man nach unserem Verständnis sagen, dass die Inbetriebnahme auf dem EU Markt nie hätte erfolgen dürfen.

Was unserer Meinung nach aber nicht sein kann ist, dass nach einem unrechtmäßigen Unterlassen der CE Kennzeichnung einer Person / Firma die Konformitätspflicht des Produktes im weiteren Verlauf einfach entfällt.

Offensichtlich weist hier die Umsetzung der Verordnung eine Lücke auf, da es, wie die Praxis zeigt, möglich ist, Boote ohne CE Kennzeichnung auf dem Markt bereitzustellen oder in Betrieb zu nehmen.

Diese Möglichkeit ergibt sich aus der mangelnden Kontrolle (Marktaufsichtsbehörden) des Gesetzgebers. Somit müsste nach unserem Verständnis, wenn der ursprüngliche Bereitsteller des Fahrzeugs nicht mehr greifbar ist derjenige der dies hätte kontrollieren sollen (der Gesetzgeber) die Verantwortung für eine Legalisierung des Fahrzeugs tragen (siehe Artikel 4 der Sportbootrichtlinie).

Artikel 4 Sportbootrichtlinie 2013/53/EU:
Grundlegende Anforderungen
(1) Die in Artikel 2 Absatz 1 genannten Produkte dürfen nur dann bereitgestellt oder in Betrieb genommen werden, wenn sie bei sachgemäßer Instandhaltung und Verwendung entsprechend ihrer Zweckbestimmung weder die Gesundheit und die Sicherheit von Personen und Sachen noch die Umwelt gefährden und zugleich die einschlägigen grundlegenden Anforderungen des Anhangs I erfüllen.

(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die in Artikel 2 Absatz 1 genannten Produkte nur dann auf dem Markt bereit gestellt oder in Betrieb genommen werden, wenn sie den Anforderungen des Absatz 1 entsprechen

Weiterhin gibt es in der Sportbootrichtlinie klare Ausschlüsse für Fahrzeuge für die sie nicht angewendet werden darf, dazu gehören z.B. Eigenbauten (hierbei handelt es sich um Boote welche „echte“ Eigenbauten sind, d.h. es waren keine professionellen Firmen involviert), bestimmte Bootstypen (z.B. Kajaks und Tretboote), ausschließlich für Rennzwecke gebaute Boote, Originalfahrzeuge vor 1950 gebaute Importboote, etc.

 

Nicht ausgeschlossen sind Wasserfahrzeuge, welche hätten CE zertifiziert werden müssen, aber nie zertifiziert wurden. Somit müsste man im Umkehrschluss sagen, dass die Richtlinie für alle Fahrzeuge gilt außer für die Fahrzeuggruppen welche explizit ausgeschlossen wurden.

 

Aus der Praxis heraus können wir sagen, dass wenn auch nicht gesetzlich klar gefordert zumindest der Markt eine CE Zertifizierung der Sportboote verlangt. Wir bearbeiten regelmäßig Fälle in denen wir Kunden dahingehend beraten, dass sie nach Gesetzeslage keine CE benötigen oder zumindest dies nicht ganz eindeutig abzuleiten ist, die Kunden diese aber trotzdem aus diversen Gründen wünschen.

 

Diese Gründe sind z.B.:

 

  1. Das Boot wurde in der Vergangenheit aus einem Drittland importiert. Bei diesem Import ist dann keine nachträgliche Zertifizierung erfolgt, was aber eigentlich notwendig gewesen wäre. Jetzt soll das Boot weiter verkauft werden und die potentiellen Käufer fragen nach einer CE-Zertifizierung, dem Handbuch und der Konformitätserklärung. Der Weiterverkauf mit einer vollständigen Ausstattung an Papieren stellt sich in der Regel als leichter und wesentlich werthaltiger heraus.
  1. Es handelt sich um einen Selbstbau der schon älter als fünf Jahre ist, welcher verkauft werden soll. Mit Beginn des Verkaufsprozesses stellen die Selbstbauer fest, dass der „Markt“ nach einer CE fragt und entscheiden sich daher für eine Zertifizierung.
  1. Das Boot ist von vor 1998 und eigentlich von der CE ausgeschlossen, das Boot soll von der Dienststelle Schiffssicherheit (früher See-Berufsgenossenschaft BG) als gewerbsmäßig genutztes Sportboot zugelassen werden und die CE wird von der BG unter anderem als optionale Grundlage die Ausstellung eines Schiffsicherheitszeugnis verlangt, welches für die Zulassung notwendig ist.
  1. Die ursprünglichen Papiere sind nicht mehr vorhanden und Ersatz ist von der Werft nicht mehr zu bekommen.

 

Zusammenfassend folgern wir, dass es, aus der Perspektive des Gesetzgebers gesehen, Boote ohne CE-Kennzeichnung gar nicht gibt. Definitiv gibt es diese aber eben doch. Dies liegt daran, dass der Gesetzgeber seiner Kontrollpflicht nicht nachgekommen ist. Wie der Status solcher Boote zu bewerten ist und wer  aktuell für die nicht erfolgte Zertifizierung zur Verantwortung gezogen werden muss, müssen die Juristen entscheiden. Diese Situation ist sicherlich für alle Beteiligten nicht zufriedenstellend, vor allem nicht für diejenigen Verbraucher, die unwissend in den Besitz eines solchen Bootes gekommen sind.